Rudis Rennschwalbe

Besser spät als nie !

Vor ca. 10 Jahren veranstalteten Freunde ein privates Schwalbe Rennen im Münsterland.

Im ersten Jahr war ich noch als Zuschauer da, danach als Fahrer mit meiner Rennschwalbe Version 1.

Die Basis ist eine Simson KR 51/1 von 1968, mein Baujahr. Allerdings ein Unfallschaden mit schiefer Gabel.

Das Ziel war überhaupt erst einmal einen standfesten Motor mit viel Drehzahl. Ich fing an mir Informationen zu beschaffen, mit erfahrenen Tunern zu sprechen und mich in die Materie rein zu arbeiten.

Ich entschied mich in der ersten Version für eine Standard MZA Sportkurbelwelle, Sportkupplung 5-Lamellen MZA, 5-Gang Getriebe MZA, 19“ Amal Vergaser, Leo Vince Sport Auspuff und einem 50 ccm Zylinder den ich, nach langem suchen, bei Ebay entdeckt habe (umgearbeiteter MZA Zylinder, aber sehr gut gemacht).

Das Fahrwerk habe ich zusätzlich an verschieden Stellen verstärkt.
Eine Strebe zum Abstützen des Steuerkopfes, diverse Knotenbleche am Steuerkopf und Streben im hinteren Bereich des Rahmens, um die Verwindung des Rahmens zu reduzieren. Die Schwingen vorne und hinten wurden ebenfalls verstärkt mit Flacheisen unterhalb. Ebenso eine Verstärkung des Schwingelagerdurchgangs am Rahmen.

Zur besseren Kühlung habe ich den vor vorderen Kotflügel nach hinten aufgestellt. Die Luft, die sich im Kotflügel staut, wird so zum Motor abgeleitet.

Vordere Bremse ist eine Scheibenbremse von Kymco. Vorderes Rad 16“ ist umgespeicht mit Nabe für Bremsscheiben Aufnahme.

So gingen die Jahre ins Land und die Schwalbe hat diverse Siege vom 1. – 3. Platz eingefahren. Und einmal im Jahr konnte ich dann, beim nächsten Schwalbe Rennen, wieder Testen was ich mir so ausgedacht habe, um die Schwalbe noch schneller zu machen.

Nachdem ich jetzt einige Jahre mit verschiedenen Ausbaustufen gefahren bin und meine Erfahrung mit Material und Maschine gemacht habe, wollte ich mehr.

„Wie wäre es mit der Schwalbe in Bremerhaven beim Fischereihafen Rennen zu fahren“? fragte ich mich. Als Zuschauer war ich schon öfter dort. Wer es kennt weiß wovon ich rede; Gänsehaut pur. Das älteste deutsche Straßenrennen mit über 30.000 Zuschauern. Das wäre das Größte. Einmal gedacht verfolgt einen der Gedanke. Ich entschied mich und wollte in Bremerhaven starten.

Gesagt – getan.

Da ich noch nie bei einem offiziellen Rennen gefahren bin, und schon gar nicht beim Fischerei Hafen Rennen, mache ich mich erst einmal schlau, was zu tun ist um sich anzumelden.

Nach einem Telefonat mit Hinni, dem Veranstalter, war alles klar.
Der sagte nur: Kannste machen, mit deiner Schwalbe. Kommst aber nicht aufs Treppchen für die ersten drei Plätze, wegen der falschen Rädergröße.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so einfach war, aber jetzt hatte ich das O.K. für Bremerhaven!!!!

Mir war klar worum es ging.
Ein Ziel. Mein Ziel.

Monatelang arbeite ich an der Schwalbe; baute Sie noch mal neu auf, verbesserte natürlich wieder das ein oder andere; und arbeite immer mit dem Gedanken an das Rennen.

Keine Fehler, keine Unachtsamkeit oder Dummheit. Immer noch eine Sicherheitsreserve und einem doppelten Boden. Wenigstens ins Ziel kommen.

Es passiert was passieren musste, der bestellte Kolben ist zu kurz. Und das wenige Tage vor dem Rennen. Nach einiger Überlegung entschied ich mich die fehlenden 4 Millimeter durch das Anheben des Zylinders um 2 mm und den Kopf um 2 mm zu bearbeiten. So konnte ich die fehlenden 4 mm rausholen.

Das hatte natürlich auch zur Folge, dass die Drehzahl stieg, genau das wollte ich. Die letzten Nächte in der Werkstatt habe ich alles für das Rennen vorbereitet; die Schwalbe und vor allem mich. Ich nahm mir auch zwischen durch, bei aller Hektik die das mit sich bringt, die Zeit innerlich zur Ruhe zu kommen. Einfach mal hinsetzten und genießen.

Jetzt war alles startklar.

Wir, packen die Klamotten, Unmengen an Ersatzteilen, Werkzeug und alles was man eventuell mal brauchen könnte und das noch in dreifacher Ausführung. Es sind die Kleinigkeiten die manchmal über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Vergessen sind die monatelangen Nächte in der Werkstatt, die Gedanken und Sorgen.

Es geht los Richtung Bremerhaven.

Während der Fahrt gehe ich immer wieder die Rennstrecke durch, um Sie mir einzuprägen und bin voller Vorfreude auf das Rennen.

Angekommen, akklimatisieren wir uns erst einmal und genießen die Renn Atmosphäre in den 5 Fahrerlagern. Unmengen an Menschen, Motorrädern. Das geilste Material an Rennmaschinen aus allen Epochen, Hubräumen und Ländern

Am Samstag dann die ersten Trainings. Alles läuft. Die Schwalbe macht eine gute Figur und läuft super, nur einige Kleinigkeiten sind nachzubessern.

Wir sind Starklar für Sonntag und machen uns hübsch zum Pizza Essen und den lauen Sommerabend zu genießen, während viele der Renn Kollegen bis spät in die Nacht noch schrauben. Unter all diesen erfahrenen und hochkarätigen Fahrern komme ich mir ziemlich klein vor.

Es ist heiß. Der Renntag ( Sonntag ) wird noch wärmer. Nicht gut für 2 Takter. Das erste Mal vor 30000 Zuschauern mit etwa 50 Fahrzeugen im Starterfeld der 50èr Klasse.

Dann geht es zur technischen Abnahme.

Der Typ ist fast von der Bank gefallen als ich zur technischen Abnahme vorfahre. „ Super gemacht die Simson, technisch alles ok.“ sagte er „ aber man muss schon ziemlich krank sein, um mit so etwas beim Fischerei Hafen Rennen mit zufahren“. Wir waren uns sofort sympathisch.

Ich war fast am Ziel.

Sonntag, Renntag !!

Erst einmal in Ruhe Frühstücken. Im Kopf gehe ich immer wieder die Strecke durch, die ich mir seit 2 Wochen einpräge. Die Schwalbe läuft. Das Wetter ist super. Fast schon zu gut für 2 Takt Motoren, mit 34 Grad! Zu wenig Sauerstoff zu viel Benzin. Das ewige Problem, den Vergaser auf das sich ändernde Wetter abzustimmen.

Ich bin mir nicht sicher; mache ich den Vergaser „magerer“ riskiere ich einen Motorschaden, mache ich ihn „fetter“ läuft er nicht richtig und kommt nicht auf Drehzahl.
Alle haben das gleiche Problem, auch mein Nachbar Thomas mit seiner Maico 250. „Tja, viel kannste nicht machen. Teillastnadel runter“ sagte er ziemlich entspannt. Das macht Hoffung, dachte ich.
Ein Motorschaden durch thermische Problem bzw. zu magere Abstimmung wäre eine Katastrophe und das Aus für das Rennen.

So jetzt ist der Moment wo alles denken, tüfteln und ausprobieren nichts mehr nützt.

Das Rennen wird aufgerufen.

„Attention Paddock – Attention Paddock“.
„Aufruf für das Rennen der Klasse 9, alle Fahrer zum Vorstart !!!!“,
dröhnt es aus den Lautsprechern durch das Fahrerlager.

Die Fahrer sammeln sich am Vorstart, um dann zusammen auf die Rennstrecke zu fahren, für die Startaufstellung.
Unter argwöhnischen Blicken meiner Rennkollegen und ihrer hochkarätigen Rennmaschinen , die mich und meine Schwalbe, ohne eine Regung, musterten.
„Mir egal; Jetzt bin ich da. Ich rock das Ding mit meiner Super Schwalbe“, dachte ich.
Neben mir steht ein ganz netter Typ, den ich anspreche. „Was muss man denn hier so machen, fahre das erste mal hier mit.“ fragte ich vorsichtig nach. In einer sehr ruhigen Art sagte er: „Fahr` Deine Linie – Fahr Dein Rennen.“
Es braucht manchmal nicht viel. Wir guckten uns an und ich verstand.

„Gentleman start your engine“ kommt die Durchsage.

Wir rollen zum Start, noch ein paar aufmunternde Worte von Hinni im vorbeirollen, für den Verrückten mit der Schwalbe.

Unendliche Minuten des Wartens in praller Sonne.
Der Motor wird zu heiß, ging mir die ganze Zeit durch den Kopf.
Hoffentlich kommt bald das Startsignal, das bringt Kühlung für Mann und Maschine.

Endlich, es geht los.

In Sekunden reißen alle Fahrer die kleinen 50er bis oben auf.
Drehzahlen von bis zu 24.000 Umdrehungen machen es unmöglich die eigene Maschine zu hören. Wie ein Schwarm Bienen in einer gigantischen 2 Takt Wolke setzten wir uns in Bewegung, die Start und Zielgerade runter auf die erste Kurve zu.
Ich denke noch kurz an den Typen vom Vorstart. “Fahr Dein Rennen“. Und das mache ich.

Es dauert einige Runden bis die Ideallinie, die Bremspunkte und Gangwechseln gefunden sind aber dann läufts. Jetzt macht’s Spaß, Runde für Runde werde ich schneller und mutiger. Jetzt fahre ich die Schwalbe bis an die Grenzen. Das Fahrwerk und die Reifen fangen an ihre Schwächen zu zeigen.
Kurven bei hohen Geschwindigkeiten sind eine echte Mutprobe. Da hilft bekanntlich nur eins, noch mehr Gas und weiter reinschmeißen.
Der Motor macht mit und hängt sauber am Gas und läuft, auch bei Dauervollgas, gut.
Jede Runde, jede Kurve schneller als zuvor. Bis ans Limit der Kondition.

Das hat weder das Fischereihafen Rennen gesehen noch, die Bremerhavener die während der Renntage immer bestens informiert sind, durch Radio, Fernsehen und Mundpropaganda.
So wie der Taxifahrer, der meinen Freund Gideon zum Bahnhof fuhr.
„Schon gehört“ sagte der Taxifahrer, bevor Gideon überhaupt im Taxi saß. „Da fährt so ein Verrückter mit seiner Schwalbe mit, beim Fischereihafen Rennen.“  „Ja, das ist mein Freund, der fährt Heute sein Rennen“ entgegnete er Ihm.

Die Runden vergingen, am Ende des Rennens stand noch die Fahrt über die Ziellinie mit Zielflagge. Ein tolles Gefühl nach all den Strapazen.
Ohne technischen Ausfall oder Unfall ins Ziel gekommen.
Es war schon etwas Besonderes.

Eine kleine Schwalbe in Mitten des Renn-Circus Fischereihafenrennen.

Für drei Tage waren wir (ich und die Schwalbe) die Gewinner der Herzen.
Wir hatten unzählige Simson Fans die uns im Fahrerlager Besucht haben, und es gar nicht fassen konnten hier eine Simson zu sehen.
„Das letzte womit ich hier gerechnet habe ist eine Renn Schwalbe“ sagte ein Simson Fan.

So bin ich ins Ziel gekommen, habe „mein Rennen“ gefahren und bin Stolz auf Mann und Maschine!

Ziel anpeilen, und hartnäckig durchziehen. So wird ein Schuh draus.

Danke an meine Freundin Natascha, Gideon meinen Freund, Paula unseren Hund.

Danke auch an unsere Nachbarn / die Jungs von Werner (Brösel), die uns den Schlaf geraubt haben.

Keep on Racing